Der Kurfürstenweg und seine Stationen
Der Spessart liegt mitten in Europa. Seit jeher durchziehen ihn Verkehrswege, auf denen Fürsten und Handelsleute reisten. Eine längst vergessene Straße durch den Spessart zwischen Aschaffenburg und Lohr ist unter den Namen "Mainzer" und "Lohrer Straße" oder als "Fürstenweg" bekannt. Bis zum Aussterben der Grafen von Rieneck 1559 war die Verbindung von Lohr nach Aschaffenburg eine der wichtigsten Trassen für die Frammersbacher Fuhrleute, auf der sie zur Frankfurter Messe fuhren.
Dann setzte Kurfürst Daniel Brendel von Homburg mit dem Ausbau der Weiberhöfe und dem Bau des Schlosses Rothenbuch die Eckpunkte für den Kurfürstenweg bis nach Lohr. Diese Route nahmen die neu gewählten Erzbischöfe von Mainz, nun auch Landesherren von Lohr, wenn sie ihre Huldigungsreise antraten.
Der Kulturweg führt auf einer Länge von etwas mehr als 14 km von den Weyberhöfen über die Grabstätte der Familie Cancrin hinauf nach Steiger. Oberhalb von Waldaschaff führt die Route in den Wald, vorbei an den Stationen "Handelsweg" und "Kreuzung Eselsweg" bis hinab nach Rothenbuch. Der Weg kann auch in entgegengesetzter Richtung begangen werden. Die Rückkehr ist jeweils mit den Buslinien 47 und 45 möglich. Folgen Sie der Markierung des gelben EU-Schiffchens auf blauem Grund.
Nachstehend finden Sie die Stationen
1. Weyberhöfe
An der Kreuzung der alten Wege von Aschaffenburg nach Lohr und nach Norden zur Birkenhainer Straße liegt das Hofgut „Weiberhof“ (heute Schlosshotel Weyberhöfe). Bis in die Gegenwart ist dies ein verkehrsgünstiger Ort: die Bahnlinie, die Bundesstraße 26 und die Autobahn A 3 führen hier in den Spessart. Um 1265 ließ der Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein das Castrum vivarium hier anlegen. Wir können uns darunter einen Steinturm mit Wirtschaftsgebäuden, einen Tiergarten (= vivarium), einen Nutzgarten und einen Fischweiher vorstellen.
Die Anlage wurde wegen der günstigen Lage an der Straßenverbindung in den Spessart hier erbaut - als Gegengewicht zu der von den Grafen von Rieneck bei Rottenberg errichteten Burg Landesere. Im Markgräfler Krieg um 1552 dürfte der „Weiberhof“ zerstört worden sein, denn Erzbischof Daniel Brendel von Homburg erweckte die Anlage mit einem Neubau um 1580 zu neuem Leben - jetzt nicht mehr mit militärischer Funktion, sondern wirtschaftlich ausgerichtet. Der Weiberhof, so lautete nun der Name der Anlage, wurde als herrschaftliches Landgut mit einer Mühle verpachtet. Während des 19. Jahrhunderts befand sich das Hofgut überwiegend im Besitz der Familie Sickenberger wie u.a. die Jahreszahlen an damals neu errichteten oder umgebauten Gebäuden belegen. 1904 erwarb die Familie von Cancrin das Hofgut und führte es als landwirtschaftlichen Betrieb. Es kam zu einer Umgestaltung des Adelssitzes im Stil des Historismus. 1990 verstarb die letzte Hofeigentümerin, Freifrau Alix von Cancrin. Im September 1991 begann der Umbau in ein Hotel; heute zeichnen 5 Sterne das „Schlosshotel Weyberhöfe“ aus, in dem Erholung und Genuss in fürstlichem Ambiente trefflich verbunden werden.
2. Grabstätte von Cancrin
Wenn man im Spessart eine Familiensaga verfassen wollte, würde sich die Geschichte der Familie von Cancrin anbieten, die im Nord- und Vorspessart zu Hause war und ihren Aufstieg im Russland des 19. Jahrhunderts erlebte. Franz Ludwig von Cancrin (1738-1816) wirkte als Spitzenbeamter im Bergwerks- und Bauwesen u.a. in den Bergwerken von Bieber im Nordspessart. Sein Sohn Georg war von 1823 bis 1844 russischer Finanzminister. Eine Nachfahrin war Alix von Cancrin, deren Eltern 1904 den damals so genannten Weiberhof erworben und zum Landgut ausbauten. Mit ihrem Tod im Jahr 1990 endet die Cancrinsche Familiengeschichte auf dem Weiberhof.
3. Steiger
Beeindruckende Hohlwegebündel oberhalb von Steiger verdeutlichen die einstige Verkehrsdichte am Aufstieg nach Rothenbuch und Lohr. Die als Rast- und Anspannstation dienenden Höfe dürften schon früh eine Kapelle gehabt haben, die als Steigerer Kapelle erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt wird. 1876/77 wurde die Kapelle von Grund auf neu erbaut.
Da Steiger als Raststätte an einer Handelsstraße fungierte, luden hier seit jeher Gaststätten zur Stärkung ein. In den 1930er Jahren befand sich hier ein Gasthaus mit dem Namen „Zur Erdbebenwarte“. Angeblich sei dieser merkwürdige Name darauf zurückzuführen, dass sich im Wald oberhalb des Weilers eine Messstation befunden hätte, die seismographische Messungen durchgeführt habe. Bis heute ist unbekannt, um welche Einrichtung es sich dabei gehandelt haben könnte.
4. Waldaschaff
Der Ursprung Waldaschaffs liegt bei dem Burgstall "Wahlmich" in der Nähe des Schlösschens Weiler. Dort saßen die Herren von Weiler, die Lehen sowohl von Mainz als auch von Rieneck besaßen. Wirtschaftliche Zentren waren der Hocken- und der Dietzenhof sowie das so genannte Hofhaus, das in der Dorfmitte stand und der Forstverwaltung diente. In der Neuzeit prägten ein Eisenhammer, Bergbau sowie die Trift von Brennholz das Ortsbild.
Sehenswert sind heute neben einer kleinen Heimatsammlung das deutsche Medaillenmuseum. Die Nähe zu einer bedeutenden Verkehrsader bleibt Waldaschaff gestern wie heute: früher war es der Fürstenweg, heute ist es die Autobahn A3.
5. Lohrer Straße
Auf der Trasse Aschaffenburg-Lohr war Glas seit dem Mittelalter eine wichtige Handelsware. Es erscheint im Zolltarif von Frankfurt im Jahre 1329. Vor allem Trinkgläser wurden im Spessart produziert. Das meiste Glas wurde weiter nach Köln und in die Niederlande transportiert. Die Hauptspediteure zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert waren die Frammersbacher Fuhrleute.
6. Kreuzung Eselsweg
Der Blick auf die historischen Landkarten zeigt, dass sich im Spessart ein Netz überregionaler Landstraßen erstreckte. Die Nord-Süd-Verbindung war der Eselsweg von Orb nach Miltenberg, der seinen Namen von den Eseln hat, die mit Salz beladen in die Mainzer Zollstadt am Main zogen. An der Kreuzung zur Lohrer Straße wäre sogar beinahe ein Wirtshaus entstanden.
7. Rothenbuch
Von Rothenbuch führen mehrere geschichtsträchtige Wege in die Schönheit der Kulturlandschaft Spessart: Der Kurfürstenweg, der Kulturweg Hafenlohrtal und die Route auf den Spuren des Erzwilddiebs Johann Adam Hasenstab. Die Lage an historischen Hauptwegen dürfte für die Mainzer Kurfürsten eine Rolle bei der Standortwahl für die zentrale Forst- und Jagdverwaltung ab 1485 in Rothenbuch gespielt haben.